Was ist Rekristallisation? Grundlage, Ablauf und Anwendung

Als Rekristallisation wird in der Metallkunde ein Prozess bezeichnet, bei dem Gitterfehler abgebaut werden. Bei dem Vorgang tritt durch Kornwachstum und Keimbildung eine Neubildung des Gefüges ein. Aufgrund eines Abbaus von Versetzungen erfolgt eine Festigkeitsabnahme.

Grundlagen der Rekristallisation

Bei einer plastischen Verformung eines Werkstoffes bei Raumtemperatur entsteht eine Zunahme des Energieinhaltes. Die Energiezunahme wird bei einer solchen Kaltverformung durch eine Temperaturerhöhung sowie eine Erhöhung der Gitterfehlerdichte deutlich. Je weiter der Umformgrad steigt, desto mehr Gitterfehler, sogenannte Versetzungen, entstehen. Diese bewegen sich während der plastischen Verformung auf Gleitebenen, können jedoch durch Korngrenzen oder unbeweglichen Versetzungen an der weiteren Bewegung gehindert werden. Hierdurch erhöht sich der Gleitwiderstand, der Werkstoff wird zunehmend fester und es kommt zu einer Kaltverfestigung, die mit dem Umformungsgrad immer weiter zunimmt. Ab einem bestimmten Grad kann es zu Schäden an dem Werkstoff kommen, die sich durch Rissbildung bemerkbar machen. Durch die Rekristallisation können diese Versetzungen abgebaut und somit die Eigenschaften des Ausgangswerkstücks wiederhergestellt werden. Hierdurch wird es möglich, das Werkstück weiter zu verformen.

Ablauf der Rekristallisation

Bei der Rekristallisation erlangt der Werkstoff durch den Abbau der Versetzungen die ausgehenden mechanischen Eigenschaften wieder. Hierfür erfolgt eine Reduzierung des Energieinhaltes. Um dies zu erreichen, wird die Neubildung von versetzungsarmen Kristalliten angeregt.

Damit der als Keim fungierende Kristallit in das versetzungsreiche Gefüge hineinwachsen kann, muss er eine ausreichende Größe besitzen. Die benötigte Energie für die Korngrenzvergrößerung kommt zum einen von innen durch den Versetzungsabbau, sowie zum anderen durch von außen zugeführte Wärmeenergie. Dies erfolgt durch eine Wärmebehandlung, sogenanntes Rekristallisationsglühen.

Durch die Polygonisation entstehen schon während der Kristallerholung Subkörner. Diese werden als Keime für die Rekristallisation benötigt. Durch ein thermisch aktiviertes Klettern können die zugehörigen Subkorngrenzen zusammenwachsen. Die Orientierungsdifferenz der sich vergrößernden Keime weitet sich in der Folge aus. Wird diese Prozedur wiederholt, erhöht sich die Größe des Keims sowie die Orientierungsdifferenz. Werden diese im Vergleich zum anliegenden Gefüge groß genug, wird der Keim wachstumsfähig.

Einflussfaktoren für das entstehende Gefüge

Welches Gefüge bei der Rekristallisation entsteht, hängt von mehreren Faktoren ab. Die wichtigsten dabei sind die folgenden:

  • Mit zunehmendem Verformungsgrad nimmt die Anzahl der entstehenden Subkörner bei der Polygonisation zu. Die Größe jedoch nimmt mit einer höheren Versetzungsdichte immer weiter ab. Dies führt dazu, dass das Gefüge immer feinkörniger wird.
  • Die Glühtemperatur sowie die -zeit haben einen direkten Einfluss auf das Wachstum der Keime. Steigt die Temperatur bzw. die Zeit nimmt auch die Größe der Körner zu.
  • Die Schmelztemperatur des Werkstücks wirkt sich unmittelbar auf den Abbau der Versetzungen aus. Je höher die Schmelztemperatur und somit auch je fester die atomaren Bindungen des Werkstoffs, desto langsamer laufen die Platzwechselvorgänge ab. Hierdurch kann eine Rekristallisationstemperatur von 40 % bis 50 % der absoluten Schmelztemperatur abgeleitet werden.

Bei hohen Umformungsgraden und Rekristallisationstemperaturen kann es zum Spezialfall einer Riesenkornbildung vorliegen. Hierbei wachsen mehrere nebeneinanderliegenden Körner gleicher Orientierung zusammen. So entsteht ein Gefüge aus sogenannten Riesenkörnern. Dies hat zur Folge, dass sich die Zähigkeit des Werkstoffs verringert und ist somit unerwünscht. Beim Rekristallisationsglühen werden aus diesem Grund Temperaturen und Umformungsgrade in diesem Bereich vermieden.

Anwendungen der Rekristallisation

Die Veränderungen der mechanischen Eigenschaften nach einer Umformung können mithilfe der Rekristallisation rückgängig gemacht werden. Auch beim sogenannten Warmumformen, also Umformungsvorgänge oberhalb der Rekristallisationstemperatur, spielt die Rekristallisation eine Rolle. Der Werkstoff wird bei solchen Vorgängen rekristallisiert, die Verfestigung bleibt jedoch völlig aus. Umformungsvorgänge unterhalb der Rekristallisationstemperatur nennt man dementsprechend Kaltumformung.